Herkunft:Der P. BM EA 10225 (Phillips 39) wurde zusammen mit dem
P. BM EA 10242 (weitere Reg.Nr. BM Phillips 40;
TM 43897; s.a. digitale Publikation des
P. BM EA 10242 im corpus des DPDP) wurden von
Samuel Birch im Juni 1837 in London auf einer Auktion bei Phillips, Son & Neale für das British Museum ersteigert. Sie stammen mit aller Wahrscheinlichkeit ursprünglich aus der Privatsammlung von
Henry Salt, die 1835 vom Auktionshaus Sotheby’s London versteigert wurde. Auf dieser Auktion erwarben Phillips, Son & Neale den Papyri zum Weiterverkauf.
Der Fundort beider Papyri galt zunächst als unbekannt.
P. BM EA 10242 (Phillips 40) konnte dem
Archiv des Generals Herianoupis zugeordnet werden, das in der Sacred Animal Necropolis in Nord Saqqara lokalisert ist und auf den 20. Januar 159 v. Chr. (22. Regierungsjahr Ptolemaios'VI .Philometor) datiert. Rückschlüsse auf eine topographische Verortung des P. BM EA 10225 sind nur aus dem auf ihm verzeichneten Text möglich. Es handelt sich dabei um die Berechnung einer nicht genannten Institution, mit Sicherheit eines Tempels, die die noch offenen Abgabenzahlungen von verpachteten Bäckereien erfasst sowie den daraus resultierenden Netto-Gewinn des Tempels errechnet. Die Toponyme, die im Zusammenhang mit den Bäckereien genannt werden, können entweder in der Hauptstadt des 10. u. äg. Gaus, Athribis, oder in ihrer nahen Umgebung lokalisiert werden.
Material und Erhaltungszustand:P. BM EA 10225 umfasst die letzten beiden Papyrusblätter einer wohl ursprünglich längeren Papyrusrolle, die wohl nach ihrem Fund zerschnitten und in einzelnen Teilen über den Antikenhandel verkauft wurde. Der obere und untere Rand des Papyrus sind erhalten. Die Blatthöhe beträgt 22,5-23 cm, die erhaltene Gesamtbreite des Papyrus 31 cm. Eine Klebung (re. auf li.) findet sich ca. 20,5 cm vom linken erhaltenen Rand des letzten Blattes der Papyrusrolle (rto). Das davorliegende, rechte Blatt ist auf seiner rechten Seite beschnitten (erhaltene Breite ca. 10,5 cm). Hier finden sich noch Tuschespuren der Beschriftung des ursprünglich davorliegenden, nun abgetrennten Blattes. Eine fast gleichmäßige, senkrechte Beschädigung verläuft ca. 7,5 cm vom rechten Rand des Papyrus über die gesamte Blatthöhe, die eventuell mit der Klebung in Zusammenhang steht. Sollte dies der Fall sein, so dürfte es sich um eine einfache Klebung (re. auf li.) mit einer Breite von ca. 3 cm handeln. Die originale Blattbreite dürfte somit ca. 23-24 cm betragen haben. (Maße der Höhe und Breite nach:
Andrews, in: The Unbroken ReedAndrews, C., 'Some Temple Accounts (P. BM 10225)', in: Eyre, C. et al. (edd.), The Unbroken Reed. Studies in the Culture and Heritage of Ancient Egypt in Honour of A.F. Shore (Occasional publications / The Egypt Exploration Society 11; London, 1994), 25-34., 23; die Maßangaben des BM sind die des Rahmens).
Texterhalt und Layout:Der Papyrus ist auf dem Recto wie Verso beschriftet. Auf dem Recto finden sich drei Textkolumnen (Col.x+I-x+III). Die letzten zwei Zeilen der Berechnung wurden auf dem vertikal gewendeten Verso verzeichnet, das außer diesen Zeilen keine weitere Beschriftung besitzt.
Schreiber und Datierung:Eine genaue paläographische Verortung der Handschrift ist aufgrund der wenigen Schriftbelege aus dieser Region schwierig zu treffen. Der Duktus der Hand weist eindeutig in die Region des südwestlichen Deltas und ist in die Ptolemäische Zeit zu datieren. Im erhaltenen Text finden sich weder ein Königsname noch der Name des Schreibers oder des abrechnenden Tempels verzeichnet. Gleich zu Beginn wird jedoch ein 22. Regierungsjahr genannt (Col.x+I.1), in das alle Berechnungsposten datiert sind. Für das Jahr 22 sind im Text folgende Monats- und Tagesdaten belegt, die ungewöhnlicher Weise chronologischer Reihenfolge aufgezeichnet wurden: a.) Abgabenberechnungen für den 1. Monat des Achet, Tag 11 (Col.x+I.1-x+II.3); b.) Abgabenberechnungen für den Verlauf des 2. Monats des Achet mit den Tagesdaten 15, 22 und 10 (Col.x+II.4-x+III.6; 15: Col.x+II.19; 22: Col.x+II.20; 10: Col.x+III.3); c.) Einzahlungen bis zum 2. Monat des Achet Tag 22(Col.x+III.12-14); d.) Einzahlung mit unbekanntem Datum, die eine Abgabe vom 2. Monat des Achet Tag 20 tilgt (Col.x+III.15); e.) Einzahlung per (2. Monat des Achet) Tag 25 (Col.x+III.16); f.) Einzahlung mit unbekanntem Datum, die eine Abgabe vom 1. Monat des Achet, Tag 16 (Col.x+III.17) tilgt. Aufgrund der Angabe des 22. Regierungsjahres ist eine Datierung in die Regierungszeiten von Ptolemaios III., Ptolemaios V., Ptolemaios VI., Ptolemaios X. oder Kleopatra VII. möglich. Aus paläographischen Gründen können Ptolemaios III. und Kleopatra VII. verworfen werden. Anders als
Vittmann, P. BM 10225, in: TLAVittmann, G., P. BM 10225, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae. Berlin-Brandendurgische Akademie der Wissenschaften - Strukturen und Transformationen des Wortschatzes der ägyptischen Sprache. Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz - Demotische Textdatenbank., Anm. zu Zeile I.1 möchte ich jedoch eine Entstehungszeit unter Ptolemaios X. paläographisch nicht ausschließen (so auch
Andrews, in: The Unbroken ReedAndrews, C., 'Some Temple Accounts (P. BM 10225)', in: Eyre, C. et al. (edd.), The Unbroken Reed. Studies in the Culture and Heritage of Ancient Egypt in Honour of A.F. Shore (Occasional publications / The Egypt Exploration Society 11; London, 1994), 25-34., 29 note.1). Unter der Berücksichtigung der genannten Daten und der Tatsache, dass es sich beim P. BM EA 10225 um das Ende der Papyrusrolle handelt, ist der 2. Monat des Achet, Tag 25 der
terminus post quem für die schriftliche Aufzeichnung dieser gesamten Berechnung.
Andrews, in: The Unbroken ReedAndrews, C., 'Some Temple Accounts (P. BM 10225)', in: Eyre, C. et al. (edd.), The Unbroken Reed. Studies in the Culture and Heritage of Ancient Egypt in Honour of A.F. Shore (Occasional publications / The Egypt Exploration Society 11; London, 1994), 25-34., 29 note 1, und ihr folgend
Vittmann, P. BM 10225, in: TLAVittmann, G., P. BM 10225, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae. Berlin-Brandendurgische Akademie der Wissenschaften - Strukturen und Transformationen des Wortschatzes der ägyptischen Sprache. Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz - Demotische Textdatenbank., datieren den Text auf den 1. Monat des Achet Tag 11. Dies ist zu verwerfen, da sie sich allein auf die erste Datumsangabe (Col.x+I.1) des Textes beziehen und die Daten, die im folgendem Text noch verzeichnet sind, außer Acht lassen. Für den erhaltenen Text sind somit folgende Datierungen möglich: a) 28. Nov. 184 v.Chr. (Beginn Jahr 22 Ptolemaios‘V., 1. Monat des Achet, Tag 4 / 8. Okt. 184 v.Chr.); b.) 22. Nov. 160 v Chr. (Beginn Jahr 22 Ptolemaios‘VI., 1. Monat des Achet, Tag 4 / 2. Okt. 160 v.Chr.); c) 6. Nov. 93 v.Chr. (Beginn Jahr 22 Ptolemaios‘X., 1. Monat des Achet, Tag 3 (15. Sept. 93 v.Chr.).
Im Zusammenhang mit der Ausübung des Amts eines Tempelschreibers soll auf den P. Wien ÖNB D 4852 verwiesen werden (TM 45643; Dime, 30. Aug. 95 n.Chr.-28. Aug. 96 n.Chr.,
Maderna-Sieben, digitale Edition im Corpus des DPDP). Bei diesem handelt es sich um eine Abmachung bezüglich der Konditionen zur Ausübung des Amtes eines Priesterschreibers des Tempels von Dime für den Zeitraum vom 15. bis 16. Regierungsjahres des Kaisers Domitian. Auch wenn dieser Text anders zu verorten ist, könnten eventuell doch einige der hier aufgeführten Vorschriften vorsichtige Rückschlüsse auf die Abrechnung des P. BM EA 10225 zulassen. Im P. Wien ÖNB D 4852 ist die Amtszeit eines Priesterschreibers auf die Dauer von einem Jahr festgelegt (Z. 1-4, ohne Angabe des Monats und des Tages.). Explizit wird erwähnt, dass das Amt nach Ablauf des Dienstjahres erst dann von einer anderen Person übernommen werden darf, wenn der Amtsvorgänger die gesamte Buchhaltung seines Amtsjahres für den Tempel korrekt abgeschlossen hat (Z. 5-7). Da im P. BM EA 10225 die Buchhaltungsposten nicht, so wie üblich, in chronologischer Reihenfolge aufgeführt und zum Teil auch als Sammelposten zusammengefasst wurden (s.u. Kommentar zur Berechnung), könnte man, mit aller Vorsicht, annehmen, dass es sich beim P. BM EA 10225 um die Auflistung noch fehlender Abrechnungsposten eines Tempelschreibers handelt, um die Buchhaltung am Ende seiner Amtsperiode korrekt abzuschließen. Dies würde die Vermutung zulassen, dass der Schreiber des P. BM EA 10225 im 21. Regierungsjahr eines der oben genannten Könige sein Amt am Tempel angenommen und die Buchhaltung seines Amtsjahres im ersten Monat des 22. Regierungsjahres des jeweiligen Königs, also einen Monat nach seiner offiziellen Amtsperiode, korrekt abgeschlossen hat.
Topographie und Toponyme:Die vorliegende Berechnung betrifft Ortschaften und Betriebe, die in der Hauptstadt des 10. u. äg. Gaus, Athribis, oder in ihrer nahen Umgebung lokalisiert werden können. Besonders die Gegend des heutigen
Kom Sidi Youssouf, der antiken Siedlung Benha (Panaho) dürfte hier von besonderem Interesse sein. Ursprünglich als eigenständige Siedlung in Nachbarschaft von Athribis erbaut, wurde diese durch das schnelle Wachstum der Hauptstadt recht schnell zu einem Stadtviertel von Athribis. Der Text weist eine große Zahl von Benennungen auf, die durch ein Ortsdeterminativ gekennzeichnet sind. Zumeist sind diese jedoch
hapax legomena und oft in ihren Lesungen nicht gesichert. Eine Identifikation bzw. Lokalisation von Ortschaften im Bereich in und um Athribis, auch wenn sie mehrfach belegt sind, wird weiterhin dadurch erschwert, dass Athribis direkt auf der westlichen Seite des Damiette-Nilarms gelegen war, von dem sich an dieser Stelle darüberhinaus ein Seitenkanal in Richtung Bubastis abgabelte. Die jährliche Nilflut sowie die sich ständig verlagernden kleineren Nilarme bedingten, dass unzählige, auch stadtnahe Siedlungen zwar auf zunächst überschwemmungssicheren Arealen errichtet wurden, jedoch durch die sich permanent alluvial verändernde Landschaft zerstört und an anderen Orten neu errichtet werden mussten. Aus diesem Grund und auch durch die moderne Bebauung bzw. Agrarwirtschaft ist eine archäologische Erschließung des gesamten Bereichs bis heute nur ungenügend erfolgt (
Vernus, AthribisVernus, P., Athribis. Textes et Documents relatifs à la Géographie, aux Cultes, et à l'Histoire d'une ville du Delta Égyptien à l'Èpoque Pharaonique (Bibliothèque d'Etude 74; Le Caire, 1978).;
Leclère, Villes Basse Ègypte IILeclère, F., Les Villes de Basse Ègypte au Ier Millénaire av. J.-C. I-II (Bibliothèque d'Etude 144.1-2; Le Caire, 2008)., 233-278;
EES, Atrib). Archäologisch und inschriftlich nachgewiesen ist ein explosionsartiges Wachstum von Athribis seit dem 4. Jhr. v. Chr. unter der Argeaden Dynastie und besonders in Ptolemäischer Zeit hin zu einem wichtigen multinationalen und multikulturellen Zentrum mit ägyptischen, griechischen, syro-palästinensischen, aramäischen, jüdischen und libyschen Bewohnern, aus denen sich auch einige Truppeneinheiten der ägyptischen Armee rekrutierten (
Fischer-Bovet, The Ptolemaic ArmyFischer-Bovet, C., The Ptolemaic Army (Oxford Handbooks Online; Oxford, 2018)., auch libysche Kavallerie-Einheiten). Dass diese "urbane" Explosion" eine steteige, unkontrollierte Bebauung von Soldaten- bzw. Privatbehausungen innerhalb des Stadtgebietes und den Umfassungsmauern der Tempel auch dem des des Horus-Chentichetivon von Tell el-Athrib mit sich führte, belegt die biographische Inschrift des Djed-Hor, "Oberster Türhüter" und "Oberster Wächter des Falken" des Tempels des Horus-Chenticheti, die sich auf seiner in Tell el-Athrib gefundenen Statue befindet (Kairo JE 46341, 30.Dyn. Philipp III. Arrhidaios). Dort erwähnt Djed-Hor explizit, dass er veranlasst hätte, diese Bevölkerungsgruppen aus dem Tempevorhof und der Stadt in das Umland umzusiedeln (
Thiers, BIFAO 95Thiers, Ch., 'Civils et militaires dans les temples. Occupation illicite et expulsion', Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale 95 (1995), 493-516., bes. 501, mit weiterführenden Literatur). Für die im P. BM EA 10225 erwähnten Benennungen kann nicht immer eindeutig bestimmt werden, ob es sich hierbei um Stadtteile von Athribis, in deren Nähe gelegene Siedlungen, Betriebe oder auch Bereiche einer dem Tempel zuzuordnenden Kulteinrichtung handelt. Als bekanntes Toponym ist allein die Siedlung
Kerkeuris (Pr-grg-Ḥr; I.15, II.1) mehrfach im Zusammenhang mit Athribis belegt. Zu Kerkeuris ist der genannte Bezirk der Hirten (pꜣ ꜥwỉ pꜣ ꜥꜣm, I.15) als Ortsteil hinzuzurechnen. Der von
Andrews, in: The Unbroken ReedAndrews, C., 'Some Temple Accounts (P. BM 10225)', in: Eyre, C. et al. (edd.), The Unbroken Reed. Studies in the Culture and Heritage of Ancient Egypt in Honour of A.F. Shore (Occasional publications / The Egypt Exploration Society 11; London, 1994)., 26, 31 (33), und
Vittmann, P. BM EA 10225, in: TLAVittmann, G., P. BM EA 10225, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae. Berlin-Brandendurgische Akademie der Wissenschaften - Strukturen und Transformationen des Wortschatzes der ägyptischen Sprache. Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz - Demotische Textdatenbank. angenommene eindeutige Beleg des Toponyms
Athribis (Ḥw.t-tꜣ-ḥri̯-ỉb, Col. x+III.4) muss mit Vorsicht betrachtet werden, da im vorliegenden Text die Benennung eine in ihre Lesung nicht ganz klare Erweiterung (Ḥw.t-tꜣ-ḥri̯-ỉb-Ḥr-?wḏꜣ?) besitzt. Für Athribis ist jedoch eine Erweiterung des eigentlichen Stadtnamens zu keiner Zeit belegt. Eindeutig um einen Betrieb handelt es sich bei der im Text mehrfach genannten
"Die Bäckerei des Haryothes" (Pꜣ-šnꜥ-Ḥr-wḏꜣ; II.4, II.12, II.16, III.2,
hapax leg., genaue Lokalisation?, im TM als "village" geführt). Für die Diskussion zu den erwähnten Toponymen verweise ich auf die ausführlichen Anmerkungen im Text.
Zur Berechnung:Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei dem P. BM EA 10225 um das Ende der Berechnung eines Tempels, welche die noch offenen Abgabenzahlungen von verpachteten Bäckereien und deren Angehörigen erfasst sowie den daraus resultierenden noch ausstehenden Netto-Gewinn des Tempels errechnet. Der grundsätzliche Aufbau dieser Berechnung ist in zwei Abschnitte gegliedert. Teil A umfasst eine Einzelpostenberechnung der zu zahlenden Abgaben (A.1. aufgeteilt in: A.1.1(Col.x+I.1-Col.x+II.3) und A.1.2 (Col.x+II.4-Col.x+III.6)) und summiert diese am Ende unter dem Aspekt ihrer Zuweisung (A.2. (Col.x+III.7-11). Teil B berechnet auf Grundlage geleisteter Einzahlungen der Bäcker sowie Unkosten, die vom Tempel getragen werden, dessen noch offenen Nettogewinn (Col.x+III.12-Col. I.2 vso). Die Aufstellung wurde ungewöhnlicher weise nicht für einen kontinuierlichen Zeitraum erstellt. Dies führt zur Vermutung, dass der verantwortliche Tempelschreiber zum Ende seiner Amtszeit noch nicht erfasste Rechnungsposten nachtrug, um seine Buchhaltung für den Tempel korrekt abzuschließen.
Die Aufstellung der offenen Abgaben (A.1) listet zunächst allein die Abgaben vom 1. Monat des Achet, Tag 11 auf (A.1.1.). Diese umfassen die Posten 1-3, die einzeln nach der Art bzw. der inhaltlichen Zugehörigkeit der Abgaben für jeden Betrieb inklusive seiner Angehörigen gesondert berechnet werden (Posten 1: Col.x+I.3-13, Mehl-Abgabe der Leute von Ta-achi-mescha. Posten 2: Col.x+I.14, gesonderte Naturalien-Abgabe des Peteharpokrates aus Ta-achi-mescha. Posten 3: Col.x+I.15-Col.x+II.3, Mehl-Abgabe der Leute von Keukeris, Bezirk des Hirten). Zum einen handelt es sich um Abgaben, die sich aus verbackenem Mehl generieren, zum anderen um Abgaben in Form von Naturalien. Die Berechnung der Abgaben aus verbackenem Mehl (Posten 1 und 3) folgt dabei einer standardisierten Abfolge: (a.) Die Kosten für verbackenes Mehl zu Lasten der Bäcker werden in Artaben summiert und die Summe in Deben im Verhältnis von 5 Deben auf 1 Artabe Mehl umgerechnet; (b.) Die Unkosten des Backvorgangs, die zu Lasten des Tempels gehen und in Art und Preis und gleichbleibend sind, werden summiert: Wasserkrüge (0,4 Deben pro Krug) und Schilfbündel (0,35 Deben pro Bündel); (c.) Die Kosten zu Lasten der Bäckereien sowie die zu Lasten des Tempels werden miteinander verrechnet und ergeben die Netto-Summe der Abgaben aus verbackenem Mehl per angegebenem Datum; (d.) Schulden aus früheren Abgabenberechnungen oder vom Tempel geliehene Gelder, die seitens der Bäcker noch nicht erstattet wurden, werden in Deben aufgelistet; (e.) Die Abgaben aus verbackenem Mehl und die Schulden werden in Deben summiert und ergeben den Netto-Gewinn der Posten. Der Posten 2 betrifft zumeist personalisierte Naturalien-Abgaben, hier in Form eines Kleidungsstückes. Diese werden gesondert aufgeführt, da sie nicht in Deben berechnet werden (Posten 2: Col.x+I.14, gesonderte Naturalien-Abgabe des Peteharpokrates aus Ta-achi-mescha). Im Abschnitt A.1.2. finden sich Abgaben für den Verlauf des gesamten 2. Monat des Achet gesammelt erfasst. Diese beziehen sich anscheinend alleine auf die Bäckerei des Haryothes und deren Angehörige (Col.x+II.4). Das Prinzip der standardisierten Auflistung wird zwar in den hier erfassten Posten 4-7 beibehalten, jedoch modifiziert. Zu Beginn (Posten 7, Col.x+II.5-10) werden zunächst die Mehl-Kosten zu Lasten der Bäcker gelistet und von Artaben in Deben umgerechnet (a.). Die Unkosten für Wasser und Schilfbündel, die zu Lasten des Tempels gehen, werden aufgeführt (b.) und gegengerechnet. Die Summe der Netto-Abgaben aus verbackenem Mehl wird errechnet, die gleichzeitig auch die Summe der Abgaben gesamten Posten 4 darstellt. Im Folgenden Posten 5 werden dann die Naturalien-Abgaben einzelner Personen in Form von Wein, Bier(?) und einem Kleidungstück wieder gesondert erfasst, da sie nicht in Deben berechnet werden (Col.x+II.11-15). Erst jetzt werden im Posten 6 die Geldbeträge der Schulden/Leihgaben der Bäckerei aufgelistet (Col.x+II.16-Col.x+III.1). Weitere ausstehende Geldschulden sowie Naturalien-Abgaben in Form von Mehl und Rizinusöl, werden im Posten 7 erfasst (Col.x+III.2-6). Unter A.2. werden nun alle Abgaben der in A.1. gelisteten Posten gesondert summiert (Col.x+III.7-11). Dies betrifft a.) alle Geldbeträge inklusive Schulden / Leihgaben (insg. 92 Deben, 6 Kite) sowie b.) gesonderte Naturalien-Abgaben. Als letztes wird noch die Summe der in Artaben registrierten Mehlmenge verzeichnet, die unter a.) bereits in Deben umgerechnet erfasst wurde.Die Berechnung des noch ausstehenden Netto-Gewinns wird unter B. erstellt. Der Posten 1 umfasst diverse Einzahlungen von Abgaben (Col.x+III.12-18), die sich verwirrendermaßen inhaltlich auf Listeneinträge beziehen, die sich außerhalb des Zeitraumes befinden, der auf dem P. BM EA 10225 verzeichnet ist und sich wohl auf den vorderen, abgetrennten Papyrusblättern befunden haben, ein Umstand der das Verständnis der Berechnungen sehr erschwert. Bis zum 2. Monat des Achet, Tag 22 sind Naturalien-Abgaben (a.) von 2 2/3 1/6 Mehl dem Tempel zurückerstattet worden. Diese Abgabe umfasst eine Abgabe von 2 Artaben Mehl, aus einem früheren, nicht auf dem P. BM EA 10225 erfassten Listeneintrag, der damit getilgt wurde, sowie die Abgabe von 2/3 1/6 Artaben, die bereits unter A.2 summiert wurde und somit als erstattet gilt. Eine Einzahlung in Deben (b.), deren genaue Höhe nicht angegeben ist, erfolgte an einem nicht genannten Datum. Diese tilgt einen Listeneintrag vom 2. Monat des Achet, Tag 20, der nicht auf dem erhaltenen Teil des P. BM EA 10225 aufgeführt wird. Die daraus resultierende Restsumme dieser Einzahlung in Höhe von 4 Deben, 2 1/2 Kite wird als eingegangene Abgabenzahlung vermerkt. Für den 2. Monat des Achet, Tag 25 wird eine Einzahlung von 2 Deben gelistet (c.). Eine Einzahlung von unbekannter Höhe und nicht genanntem Datum tilgt einen Listeneintrag vom 1. Monat des Achet, Tag 16, der außerhalb des auf dem P. BM EA erhaltenen Zeitraumes liegt (d.). Es bleibt ein Einzahlungsrest von 3 Deben, 5 Kite. Die Gesamtsumme (e.) der einbezahlten Abgaben beläuft sich auf 9 Deben 7 1/2 Kite. Der Posten 2. umfasst zunächst eine Auflistung von Unkosten (a.), die zu Lasten des Tempels gehen und noch nicht unter A. erfasst wurden (Col.x+III.18-Col.I.1 vso). Es handelt sich um Wasserkrüge, Sesam und Knoblauch. Diese Unkosten belaufen sich auf eine Summe von 9 Deben, 7 1/2 Kite(b.), die durch die gelisteten Einzahlungen kompensiert wird. Als Unkosten zu Lasten des Tempels, die nicht durch Einzahlungen kompensiert werden können, bleibt 1/2 Einheit Salz für die Grütze zu 8 Deben. Die 92,6 Deben (Summe Abgabe in Deben A.2) minus den 8 Deben, die zu Lasten des Tempels gehen ergeben 84,6 Deben, die als Netto-Gewinn dem Tempel seitens der Betriebe noch gezahlt werden müssen. Zu den einzelnen Posten soll auf die ausführlichen Anmerkungen im Text verwiesen werden.
Zum Heiligtum des vergöttlichten Fürsten Inaros:In der Sammelabrechnung der an den Tempel zu leistenden Abgaben der Bäckerei des Haryothes (A.1.2.) findet sich im Posten 5 zwei Abgaben in Naturalien, die ein Angehöriger dieser Bäckerei namens Inaros in Form von 1/2 Maß Wein sowie einem Kleidungsstück zu leisten hat (Col.x+II.13-14; zur nicht gesicherten Lesung "?Steuer(bezirk)?": s. u. 3. Anmerkungen zum Text, zu Col.x+II.13). Dies weist auf ein in Athribis zu lokalisierendes Heiligtum des Lokalgottes Inaros hin, das mit dem rechnungsstellenden Tempel assoziiert gewesen sein muss. Wie der P. Carlsberg 606 belegt, leistete Inaros, der als historische Person in die Mitte des 7. Jh.v.Chr. datiert wird, seinen Treueschwur vor dem Stadtgott von Athribis, Horus-Chentechai (TM 93272;
Ryholt, in: Narrative literature from TebtunisRyholt, K., 'A Story about the living Prince Inaros. P. Carlsberg 606 verso', in: Ryholt, K. (ed.), Narrative literature from the Tebtunis temple library (The Carlsberg Papyri 10; CNI Publications 35; Copenhagen, 2012), 151-164, Taf. 23-34.. Stellvertretend für die umfangreiche Literatur zum Füsten Inaros:
Hoffmann, InarosHoffmann, F., "Der Kampf um den Panzer des Inaros". Studien zum P. Krall und seiner Stellung innerhalb des Inaros-Petubastis-Zyklus (Wien, 1996).;
Quack, in: Altertum und MittelmeerraumQuack, J.F., 'Inaros, Held von Athribis', in: Rollinger, R. / Truschnegg, B. (Hgg), Altertum und Mittelmeerraum. Die antike Welt diesseits und jenseits der Levante. Festschrift für Peter W. Haider zum 60. Geburtstag (Oriens et Occidens 12; Stuttgart, 2006), 499-505.;
Rutherford, I., 'The earliest cross-cultural reception of Homer? The Inaros-Narratives of Greco-Roman Egypt', in: Rutherford, I. (ed.),
Greco-Egyptian interactions. Literature, translation, and culture, 500 BCE-300 CE (Oxford, 2016), S. 83-106. Zum vergöttlichten Inaros:
Lieven, Heiligenkult und VergöttlichungLieven, A. von, Heiligenkult und Vergöttlichung im Alten Ägypten (Habilitationsschrift, Publikation in Vorbereitung, Orientalia Lovaniensia Analecta; Leuven).). Dies macht es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei dem im P. BM EA 10225 unbenannten Tempel, für den der Gewinn berechnet wird, um den Tempel des Horus-Chentechai in Athribis handelt.
Zu den rmṯ.w n tftf:In Col. x+III.1 der Berechnung des P. BM EA 10225 werden rmṯ.w n tftf erwähnt, für die oder von denen ein Betrag von insgesamt 6 Deben, 5 Kite an den Tempel zurückgezahlt werden muss, die zum Netto-Gewinn des Tempels aus verbackenem Mehl hinzugerechnet werden. Der Begriff tftf (Det. schlagender Arm), konnte bisher inhaltlich nicht gedeutet werden. Mehrfach findet sich die Erwähnung von pꜣ h(w)e tftf in den Entlastungsquittungen von Dime (
Lippert / Schentuleit, DDD ILippert, S. / Schentuleit, M., Ostraka (Demotische Dokumente aus Dime I; Wiesbaden, 2006)., P. Wien ÖNB D 6041.5, S. 223 mit Anm. zu Z. 5 (TM 100274); P. Wien ÖNB D 6842.4, S. 226 (TM 100275); P. Berlin ÄMP P 15686.9, S. 234 (TM 100276)). Dort wird das Lemma mit aller Vorsicht von
Lippert/Schentuleit, mit dem ägyptischen Lemma ḏfꜣ, „Nahrung, Speise“ (Det.: Körner/Brot), in Verbindung gebracht und pꜣ h(w)e tftf als „Ausgabe für Nahrungsmitteln“ gedeutet. In diesen Quittungen, die den Priesterschreibern eine korrekte Buchführung seitens des Tempels bestätigen, erfolgt die Rückzahlung der tftf-Ausgaben zunächst zu Händen des Priesterschreibers, der diesen Betrag dem Tempel weiterleitet und als dessen Einnahme verbucht. Es handelt sich daher um einen Posten, für den der Tempel für eine gewisse Zeit in Vorleistung ging (
Lippert / Schentuleit, DDD ILippert, S. / Schentuleit, M., Ostraka (Demotische Dokumente aus Dime I; Wiesbaden, 2006)., 236) und von Pachtbetrieben dem Tempel zurückerstattet werden musste. Im direkten Zusammenhang mit den tftf-Ausgaben werden Weizenlieferungen sowie im weiteren die Steuern für Viehzucht, Öl und Schifffahrt erwähnt. Zumindest für die erhobenen Steuern für Öl und Schifffahrt ist es gesichert, dass diese zwar von den Pachtbetrieben zunächst an den Tempel gezahlt, jedoch dann vom Tempel an die Staatsbank weitergeleitet wurden (
Lippert / Schentuleit, DDD ILippert, S. / Schentuleit, M., Ostraka (Demotische Dokumente aus Dime I; Wiesbaden, 2006)., 9-14). Im P. Leiden RMO F 1974/7.52 B rto, einer Aufstellung privater Haushaltskosten für den Monat Hathyr, die eventuell von einem Priesterschreiber verfasst wurde, werden zahlreiche Waren und Dienstleistungen auch der Frau und der Kinder des Schreibers, aufgeführt. Unter ihnen finden sich gleich mehrfach tftf-Ausgaben erwähnt (Det. schlagender Arm; TM 102069; 96 v.Chr. Ptolemaios X / 63. v.Chr. Ptolemaios XII.; Tebtynis:
Muhs / Dieleman, ZÄS 133Muhs, B. / Dielemann, J., 'A Bilingual Account From Late Ptolemaic Tebtunis', Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 133 (2006), 56-65, Taf. 15-18., Col.x+II.15 und Col.x+II.17, 58, 60 (p), Col.x+III.17, 61-62 (s)). In B rto Col.x+II.15: mꜣrꜣn pꜣ [mst]pwrws ẖr hy tftf ỉrm ꜥḳ □□□ ḥḏ 16, "Maron, der [Mistho]phoros, tftf-Ausgabe und Ration(en) □□□ 16 Silber(deben)". Zu diesem Beleg soll kurz angemerkt werden, dass es sich bei dem von
Muhs / Dieleman ungelesenen Bergiff pwrws um eine Kurzschreibung des Titels mstpwrws, "Misthophoros" (TLA:dm3494 und CDD-M 241 mit Literatur; vgl. die identische Kurzschreibung P. Reinach Dem. 4.6; TM 3087), handelt, der einen Söldner bzw. eine Person bezeichnet, die gegen Bezahlung eine Aufgabe ausführt. Der zweite Beleg findet sich in B rto Col.x+II.17: hy tftf ẖn pꜣ ꜥwy nꜣy⸗y ẖrd.w ỉrm tꜣy⸗y rmṯ.t □□□□ ḥḏ 7 ḳd.t 5, "tftf-Ausgabe im Haus meiner Kinder und meiner Frau □□□□ 7 Silber(deben) 5 Kite". Ein letzter Beleg in B rto Col.x+III.17 lautet: hy tftf tꜣy⸗y rmṯ.t ỉrm nꜣy⸗y ẖrd.ṱ.w [... ...], "tftf-Ausgabe meiner Frau und meiner Kinder [... ...]".
Muhs / Dieleman() verweisen bezüglich des demotischen Lemmas tftf auf das koptische ⲧⲁϩⲧϩ, "mischen, verwirren" (TLA:C4828; auch als Nomen belegt,
Muhs / Dieleman, ZÄS 133Muhs, B. / Dielemann, J., 'A Bilingual Account From Late Ptolemaic Tebtunis', Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 133 (2006), 56-65, Taf. 15-18., 60 (p)), welches oft im Zusammenhang mit dem Mischen von Ingredienzien von Arznei- oder Nahrungsmitteln steht. Im bereits erwähnten P. Wien ÖNB D 4852 findet sich der Begriff hwe.w-tftf interessanterweise im Zusammenhang mit der detaillierten Auflistung von Anweisungen, wie der Schreiber die Tempelbuchhaltung zu erfassen hat (
Maderna-Sieben, digitale Edition im Corpus des DPDP, mit ausführlicher Diskussion des Begriffs tftf in Anm. zu Z. 7). Gleich zu Beginn dieser Anweisungen heißt es dort in Z. 7: mtw⸗f ỉri̯ hwe.w tftf (n) ḥḏ sp-2 šꜥ-tw⸗w ỉp ỉrm⸗f šꜥ ḥḏ sp-2 5 ntỉ.ỉ.tw⸗w ḏi̯.t {ḏi̯.t} st n⸗f, "Und er (Schreiber) soll tftf-Ausgaben (in) echtem Silbergeld erfassen, bis man mit ihm bis zu 5 (Deben) echtem Silbergeld abrechnet. Und sie sollen ihm (zurück)gegeben werden". Der Begriff tftf bleibt hier undeterminiert.
Eine etymologische Bestimmung des demotischen Lemmas tftf aus dem Ägyptischen und hin zum Koptischen ist schwierig. Eine Verbindung von tftf (Det. schlagender Arm) mit dem ägyptischen Lemma ḏfꜣ, "Nahrung, Speise" (Det.: Körner/Brot; TLA:183850), die von
Lippert / Schentuleit, DDD ILippert, S. / Schentuleit, M., Ostraka (Demotische Dokumente aus Dime I; Wiesbaden, 2006)., 223 mit Anm. zu Z. 5, angenommen wird, ist wohl eher unwahrscheinlich, da das Determinativ des schlagenden Arms für das ägyptische Lemma ḏfꜣ weder belegt noch zu erwarten ist. Dasselbe gilt für das demotische Pendant tfꜣy bzw. tfw(e), "Speise(-Opfer)" (TLA:d7261; TLA:dm206), das entweder mit Schlange oder dem Körnerdeterminativ geschrieben wird und nicht als Duplexschreibung belegt ist. Auch der Vorschlag von
Muhs / Dieleman, ZÄS 133Muhs, B. / Dielemann, J., 'A Bilingual Account From Late Ptolemaic Tebtunis', Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 133 (2006), 56-65, Taf. 15-18., 60 (p), das demotische Lemma tftf mit dem koptischen ⲧⲁϩⲧϩ, "mischen, verwirren" (TLA:C4828), zu identifizieren, ist auszuschließen. Der Begriff ⲧⲁϩⲧϩ muss etymologisch auf ägyptisches tḫtḫ (TLA:173370; Det. laufende Beine/schlagender Arm) bzw. demotisches tẖtẖ / tḫtḫ (TLA:dm8050/TLA:d7429; Det. laufende Beine/schlagender Arm), "verwirrt sein" , zurückgeführt werden, das im Koptischen auch mit den Lemmata ⲧⲁϩⲥ, "Verwirrung" (TLA: C4776), und ⲧⲱϩ, "Mischung" (TLA:C4769), in Verbindung steht. Auszuschließen ist auch die Rückführung des demotischen Lemmas tftf auf die ägyptische Wortwurzel tf, "spucken, befeuchten", sowie dessen Duplex tftf, "ausspucken, tröpfeln" (tf (TLA:171740 sowie TLA:171750: "Speichel"), tftf (TLA:858891), bei allen Det. Phallus/spuckender Mund; in Beziehung stehen die ägyptischen Begriffe df, "tränen" (TLA:870641) bzw. "beträufeln" (TLA:600602), wie auch das Duplex ḏfḏf, "träufeln, tränen" (TLA:600602), bzw. "Tropfen" (TLA:183990)), aus denen sich im Demotischen das Lemma tfꜣ, "Speichel" (TLA:dm206; Det. Fleisch/sterbender Krieger) und der Einzelbeleg tftf, "..?.." (TLA:d7268 (Det. zerstört), zu diesem Beleg:
Hoffmann, InarosHoffmann, F., "Der Kampf um den Panzer des Inaros". Studien zum P. Krall und seiner Stellung innerhalb des Inaros-Petubastis-Zyklus (Wien, 1996)., 274-275, Anm. 1509), des P. Krall, XII 28, der die eventuell tropfenförmige Verzierung des Panzers des Inaros beschreibt, herleiten lassen. Im Koptischen finden sich diesbezüglich: ⲧⲁϥ, "Speichel, Tropfen" (TLA:C4732), ⲥⲉⲧⲧⲁϥ, "spucken, tröpfeln" (TLA:C4735), sowie ⲑⲟϥⲧⲉϥ, "Tropfen auf Tropfen fallen lassen" (TLA:C822). Unter Berücksichtigung der oben diskutierten Belege, in denen das hier besprochene Lemma tftf (Det. schlagender Arm) Verwendung findet, dürfte es angebracht sein, dieses als ein Duplex des demotischen Simplex tfy, "wegnehmen, entfernen" (TLA:d7263, Det. schlagender Arm/Krieger), zu deuten, welches auf das ägyptische Lemma tfi̯, "(gewaltsam) entfernen, zurückdrängen" (TLA:171780, Det. laufende Beine/schlagender Arm), mit dem Duplex tftf, "verwirrt sein" (TLA:171950, Det. laufende Beine/schlagender Arm), zurückzuführen ist und sich im Koptischen als ⲑⲁϥ⸗ / ⲑⲓϥⲓ, "(gewaltsam) entfernen, wegnehmen" (TLA:C820), findet.
Der Versuch einer inhaltlichen Deutung des demotischen Lemmas tftf muss auch den Kontext berücksichtigen, in dem es Verwendung findet. Bei allen Belegen handelt es sich im weitesten Sinne um eine erbrachte Leistung, die abgerechnet, berechnet oder quittiert wird. Im P. BM EA 10225, wie auch P. Wien ÖNB D 4852 stehen die tftf-Ausgaben in direkter Verbindung mit Bäckereien bzw. der Herstellung von Broten. In den Entlastungsquittungen von Dime finden sich die tftf-Ausgaben im engen Zusammenhang mit Mehllieferungen erwähnt und im P. Leiden RMO F 1974/7.52 B rto, Col.x+II.15 werden die Ausgaben für eine tftf-Leistung zusammen mit den Ausgaben für ꜥḳ, „Brot, Rationen“, erstattet. P. BM EA 10225 rto Col.x+III.1 und Wien ÖNB D 4852 rto, Z. 7, die die Modalitäten der Ausgaben- bzw. Einnahmenberechnungen des Tempels aufführen, belegen eindeutig, dass der Tempel zunächst für die tftf-Ausgaben in Vorlage geht, diese ihm jedoch wieder durch die Bäckereien zurückerstattet werden müssen. Dies bedeutet, dass die Personen, die eine tftf-Arbeitsleistung erbringen und die im P. BM EA 10225 rto Col.x+III.1 explizit nꜣ rmṯ.w n tftf genannt werden, keine Angehörigen der Bäckerei sein können, da diese sonst, wie alle anderen Angestellten der Bäckerei ihren Arbeitslohn direkt von dem vom Tempel verpachteten Betrieb erhalten würden. Es muss sich daher um die Erbringung einer Leistung handeln, für die nach Bedarf Fremdarbeiter (eventuell saisonal) angestellt wurden. Im Falle vom P. BM EA 10225 rto Col.x+III.1 und Wien ÖNB D 4852 rto, Z. 7, sind es Bäckereien, die diese Fremdarbeiter anstellen. In der Abrechnung des P. Leiden RMO F 1974/7.52 B rto, Col.x+II.15 ist es ein privater Haushalt, der einen Misthophoros mit Namen Maron für diese tftf-Arbeitsleistung beauftragt. Nicht eindeutig sind die Belege einer tftf-Leistung des P. Leiden RMO F 1974/7.52 B rto. In B rto, Col.x+II.17 werden die tftf-Leistung bzw. Ausgaben explizit im Haus der Kinder und der Frau des Schreibers erbracht und in B rto, Col.x+II.17 werden nur die tftf-Leistung bzw. Ausgaben der Kinder und der Frau des Schreibers verzeichnet. Hier bleibt unklar, ob es sich um tftf-Ausgaben handelt, für die die Kinder und die Frau des Schreibers zahlen mussten, oder um eine Leistung, die sie selbst erbracht haben und daher dafür entlohnt wurden. Bei allen Texten werden die Ausgaben in Silber(deben) berechnet. Die Erbringung einer tftf-Arbeitsleistung bedarf wenigstens beim P. Leiden RMO F 1974/7.52 B rto, Col.x+II.17 keiner größeren Räumlichkeiten, wie die einer Bäckerei oder Mühle, sondern kann auch im Haus durchgeführt werden. Es dürfte sich dabei um eine Tätigkeit handeln, die mit der Erzeugung eines Nahrungsmittels bzw. einer Zutat in Zusammenhang steht, die eventuell für das Backen von Broten und/oder auch für die Zubereitung von Grütze verwendet wurde. Dies lässt mit aller Vorsicht die Vermutung zu, dass es sich bei tftf um die Arbeit des sog. Spelzen handeln könnte, bei dem Getreide, hauptsächlich Weizen, Gerste oder auch getrocknete Hülsenfrüchte grob gemahlen werden, um ihre Schale aufzusplitten. Nach dem Spelzvorgang kann aus den oben genannten Nahrungsmitteln Grütze (Grobgemahlenes) hergestellt werden, die zunächst in wenig Wasser und unter stetigem Rühren aufquellen muss. Dies Masse kann dann entweder dem Brotteig vor dem Backen hinzugefügt, oder mit Wasser zu einem Brei verkocht werden, der mit Mehl, Öl, Salz und Essig vermengt oder auch mit Trauben oder Datteln versetzt werden kann. Seit der Antike dienen die unterschiedlichen Arten der Grütze als hochwertiger Vitamin- und Nährstofflieferant und werden auch als Heilmittel gegen Magen- und Darmbeschwerden angewandt. Wie heute, so wurde wohl auch im alten Ägypten Getreide oder Hülsenfrüchte nur nach der Bedarfsmenge frisch gespelzt, da sie in diesem Zustand sehr anfällig für Ungeziefer sind und im gequollenen Zustand schnell übergären können. Der vorliegende Versuch einer Deutung des demotischen Lemmas tftf ist nicht gesichert und soll nur als Vorschlag betrachtet werden, da es einer weitaus größeren Beleglage bedarf, um seine Wortbedeutung sicher zu untermauern.